Kein Plan überlebt den Kontakt mit dem Feind.
Generalfeldmarschall Hemuth von Moltke
Ich gebe zu, das Wetter heute als Feind zu bezeichnen ist nicht ganz richtig. Und die Planänderung kann auch durchaus positiv ausfallen. Doch der Reihe nach.
Nach einer kurzen Nacht brechen wir von Amsterdam auf. Der besagte Plan ist, nach einem Zwischenstopp in IJmuiden nach Scheveningen zu fahren. Nach dem Aufstehen in aller Herrgottsfrühe (ich sage ja, 7 Uhr in der Früh hat mit dem Herrgott noch nichts zu tun) gibt es ein ausgiebiges Frühstück (mit gekochten Eiern!), und dann geht’s los.
Auf dem Kanal werden noch das AIS und Erichs Kojentaschen montiert. In IJmuiden gibt es dann noch einen Mittagssnack, die letzten Vorräte und der Diesel werden ergänzt. Und dann lassen wir Hollands Kanäle endlich hinter uns. Ein letzte Blick zurück zu den großen Schleusenanlagen, dann dreht die Nase der ex-Container gen See. Segel hoch, Motor aus, endlich Segeln.
Bei strahlendem Sonnenschein, vier Beaufort und leichten Nordseewellen ist Segeln einfach nur geil. Und so werden die erwähnten Pläne gewälzt. Acht Knoten, da könnte man doch… Scheveningen ist auf einmal viel zu nah, Oostende in Reichweite. Und eigentlich lohnt sich doch nur Calais, zumal zur Wochenmitte Starkwind vorhergesagt ist. Da wollen wir ja nicht in Oostende festsitzen. Vielleicht schaffen wir es ja vorher nach Dover?
Der Titel hat es ja verraten, Scheveningen lassen wir an Backbord (links) liegen. Auch ein leichtes Nachlassen des Windes entmutigt uns nicht. Die Genua G4 wird durch die G3 ersetzt, unter 6 Knoten wird ohnehin geankert ;). Wachen werden eingeteilt, und dann geht es wohlgemut in die Nacht. Ein leichtes Abendessen bei Sonnenuntergsng auf See – toll.
Ich will mich gerade in die Koje verziehen, um fit für meine Wache zu sein, als erste Probleme auftreten. Unser Taktikcomputer, den wir auch zur Anzeige des Steuerkurses nutzen,mist nicht beleuchtet. Und auch die Kompassbeleuchtung lässt sich nicht aktivieren. So ganz ohne Kurs ist halt auch doof. Ivan kommt die rettende Idee, das iPad an unseren 12V-Außenanschluss zu hängen und dort den Kurs anzuzeigen.
Kaum ist wieder ein wenig Ruhe eingekehrt, als der nächste Weckruf ertönt. Der Wind flaut nicht nur ab, sondern kommt auch aus der falschen Richtung. Also muss die Fock herunter, das Groß folgt sogleich. Jetzt bin ich so wach, dass ich direkt draußen bleibe und zusammen mit Gerhard die Wache übernehme. Unser ursprünglicher Plan ist ohnehin komplett umgeworfen – siehe oben. Der General hat einfach Recht.
So eine Nachtfahrt ist prinzipiell etwas schönes, zumal in befahrenen Ecken der Meere. Über uns das Sternenzelt Sternschnuppen und ein blutrot untergehender Mond (hoffentlich kein schlechtes Omen), neben uns die Frachter auf Reede vor Rotterdam. Und fast alle mit Festbeleuchtung, nicht nur zwei popeligen Ankerlichtern, ein eindrucksvolles Bild.
Der Nachteil der Nachtfahrt sind die anderen Schiffe. Neben Slalom durch die Fischerboote (okay, wir hatten Glück, es war nicht so viel los) kommt uns auch der eine oder andere Frachter in die Quere. Dank AIS und gutem Ausguck alles kein Problem, wir kommen gut voran.
Morgens stehen wir dann vor Oostende. Noch 40 Meilen bis Calais, aber ein Blick in den Tank verrät: Der Sprit geht zur Neige. Selbst mit unseren Ersatzkanistern würden wir es wohl nicht unter Motor bis nach Calais schaffen, zumal der Wind genau von vorne kommt. Schweren Herzens fällt daher die Entscheidung, in Oostende einzulaufen. Insgeheim sind wir wohl alle auch ein wenig froh darüber, denn die Nacht war doch lange und anstrengend.
Nun liegen wir in der Mercator-Marina der Royal North Sea Yacht Clubs, nahe der Innenstadt. Nach einem kräftigendem Frühstück geht das erste Kommando zum Duschmarken besorgen, das haben wir jetzt alle nötig. Erstmal wird ausgeruht, dann wird das Boot fit für den nächsten Schlag gemacht. Morgen soll es stürmen, so dass wir genug Zeit haben, um Oostende und ggf. Brügge zu erkunden.