Das gute Wetter konnte ja nicht lange anhalten. Heute war es dann schon wieder schlechter. Der Wetterbericht hatte wolkig und 23 °C vorausgesagt – zumindest die Temperatur stimmte so halbwegs. Aber fangen wir am Anfang an. Nach dem Frühstück legte ich mir meinen Tagesplan zurecht: Ich wollte zunächst den Mont Royal ersteigen,der Hausberg und Namensgeber von Montréal, und anschließen ein wenig das Plateau de Montreal entlangschlendern. Dann traf ich zwei folgenschwere Entscheidungen, die ich später bereuen sollte: „Stadtplan brauche ich nicht, das finde ich schon“ und „Das Wetter hält, ich nehme keinen Schirm mit“.
Zunächst lief alles glatt. Der Berg war schnell gefunden (einfach die Straße runter), und nach einiger Zeit hatte ich sogar den Weg nach oben gefunden. Vielleicht nicht den offiziellen Weg, aber immerhin einen Weg. Der Weg nach oben entpuppte sich zunächst als ein Haufen Stufen. Treppensteigen am Berg in schwülem Wetter – das kenne ich doch irgendwoher… Der Aufstieg lohnt sich aber durchaus, von oben hat man einen wunderbaren Blick über das südliche Montréal. Und geschickterweise hat die Stadtverwaltung oben einen Getränkeautomaten aufgestellt. Das dürfte sich lohnen, bei $2 für die Literflasche Wasser.
Nach einer längeren Ausguckpause am Chalet, einer Halle dort oben, erkundete ich den Parc de Mont Royal, die größte Grünfläche Montréals. Der wurde übrigens von dem Architekten angelegt, der auch in New York den Central Park gestaltet hat. In dem Park wimmelt es nur so von Eichhörnchen, Grauhörnchen und Streifen- bzw. Backenhörnchen. Gerade die Grauhörnchen, die sich auch in den restlichen Parks von Montréal in großer Zahl herumtreiben, haben kaum scheu. Ich habe nur kurz still dagestanden, schon hat sich eines auf weniger als einen Meter herangetraut und sich auch von zahlreichen Aufnahmen nicht abschrecken lassen.
Schließlich hatte ich das westliche Ende des Parks erreicht, den Lac aux Castors (hat nix mit Atommüll zu tun). Da sich meine restlichen Ziele allerdings östlich des Parks befanden wollte ich durch die Cimetières Notre-Dame-de-Neiges und Mont-Royal, also die beiden großen Friedhöfe von Montreal, zurücklaufen. Nach einer kleinen Pause am See machte ich mich auf, nur um sofort von einem ersten Regenschauer aufgehalten zu werden. Ich schlüpfte in einer Bushaltestelle unter und entschied mich, dann doch lieber mit dem Bus zur nächsten Metrohaltestelle (die Métro ist die U-Bahn von Montreal) zu fahren und mich dann im Untergrund zu bewegen. Dummerweise fuhr der Bus in die falsche Richtung…
Der Busfahrer erklärte mir, wie ich zur richtigen Bushaltestelle kommen würde. Da es gerade aufgehört hatte zu regnen entschied ich mich aber, zu Fuß zu gehen. So weit konnte das ja nicht sein, die Metrostation hieß „Dame de Neiges“, müsste also ganz in der Nähe vom Friedhof sein. Was ich nicht bedacht hatte war, das die Nordamerikaner ihre Friedhöfe deutlich größer bauen als wir. Die Gräber laufen in Amerika nicht ab sondern sind für die Ewigkeit, somit benötigt man auch deutlich mehr Platz. Mit einer Karte hätte ich das schnell festgestellt, aber – siehe oben. Schon nach kurzer Zeit fing es wieder leicht an zu regnen, aber ich als wetterfester Globetrotter outdoorerfahrener Abenteurer sturer Dickschädel blieb bei meinem Plan. Das Wetter aber nicht bei leichtem Nieselregen.
Allzu schlimm war es aber nicht, und so erreichte ich nach langer Lauferei endlich die Metrostation. Ich besorgte mir einen Sixpack Tickets und einen Stadtplan, die gibt es nämlich kostenlos an der Metrokasse. Da mir ein Besuch des Plateau bei Regen nicht sonderlich attraktiv erschien machte mich mich auf den Weg zu einem Restaurant, das ich auf Wikitravel.org gefunden hatte, eine sehr empfehlenswerte Webseite für alle Reisenden. Ein ausführliches Studium des Stadtplans lieferte nicht nur die richtige Straße, sondern auch eine Metrostation in der Nähe. Und los gings.
Inzwischen hatte sich allerdings der Regen von einem leichten Sommerregen zu einem ausgewachsenen Regenguss entwickelt. Und irgendwie ließ sich das Restaurant nicht finden. Nachdem ich es endlich geschafft hatte, den Stadtplan zu entschlüsseln und die Hausnummernangabe zu finden musste ich feststellen, dass ich mich am völlig falschen Ende der Straße und im wahrsten Wortsinne meilenweit von meinem Ziel entfernt war. Da ich inzwischen außerdem gut beregnet war gab ich zunächst auf und fuhr zurück ins Hotel. Noch war ich aber nicht erlöst, denn aus dem Regeguss war inzwischen ein Weltuntergang geworden, der die Straße zentimeterhoch unter Wasser setzte (und ein wenig die Metrostation flutete – ich bin mir sicher, dass das Wasser in den Kanal hineinfließen sollte und nicht umgekehrt …). Als der Regen in wenig nachließ rannte ich dann endlich zum Hotel, wenn ich auch danach völlig durchnässt war.
Aber der Mensch ist ja praktischerweise wasserfest, und ein heißes Bad ließ meine Lebesgeister wieder aufsteigen. Ich checkte mal meine Mails, verabredete mich für morgen mit einem Kollegen, und schrieb ein wenig an meinem Blogeintrag, bevor ich mich wieder auf den Weg machte. Diesmal gut gerüstet, mit Regenschirm und Stadtplan. Nach einem kleinen Abstecher durch den Parc Lafontaine erreichte ich dann endlich das Maamm Bolduc!, ein nettes kleines Restaurant. Die Burger, die an den Nebentisch geliefert wurden, sahen verdammt lecker aus, aber ich bestellte mir eine Poutine, eine québecer Spezialität. Es besteht aus Pommes, quietschendem Käse, getränkt mit Bratensoße, und schmeckt deutlich besser, als es sich anhört. Meiner war außerdem teuflisch pfefferig, und ich bin von der „kleinen“ Portion für $7,50 gut satt geworden.
Satt, zufrieden, und vor allem trocken bin ich dann über die Rue Mont-Royal wieder zurück zur Metro spaziert. Vor der Metrostation haben noch ein paar Leute musiziert (in den Metrostationen gibt es speziell gekennzeichnete Stellen, an denen Musik gemacht werden darf), und ich machte noch kurz Rast dort. Eigentlich wollte ich jetzt entweder noch über’s Plateau oder alternativ nochmal auf das Jazz-Festival, aber ein aufziehendes Gewitter überzeugte mich doch, in den Untergrund zu gehen und die Metro zurück zum Hotel zu nehmen. Und auf den letzten Metern kam dann sogar noch der Regenschirm zum Einsatz. Ein kurzer Zwischenstopp bei einem Dépanneur (quasi ein Tante-Emma-Laden), um meine Wasservorräte aufzufüllen, und schon sitze ich in meinem Hotelzimmer und kann den Blogeintrag zu Ende bringen und meine Bilder hochladen.